Aus dem Besitz Albrecht Dürers an seinen Bruder Endres Dürer übergegangen; über die Witwe des Bruders in die Sammlung Willibald Imhoff gelangt; 1573 im Kunst- und 1580 im Nachlassinventar desselben verzeichnet; zwischen 1588 und 1628 vom Vaterbildnis (Ausst.Kat. Frühe Dürer 2012, Kat. 8) getrennt; 1588 Kaiser Rudolf II. und 1630 Kurfürst Maximilian I. von Bayern zum Kauf angeboten; dem Geheimbüchlein des Hans Hieronymus Imhoff zufolge 1633 an Abraham Bloemaert nach Amsterdam verkauft; im 19. Jahrhundert in der Sammlung Aimé-Charles-Horace His de la Salle in Paris; 1925 für das Germanische Nationalmuseum aus der Münchner Kunsthandlung Julius Böhler erworben.
Das Tafelbild zeigt das Brustbildnis von Dürers Mutter, Barbara Holper, in rotem Gewand und weißer Haube mit gelöstem, über die Schulter geführtem Schleier. In der Hand hält die Dargestellte einen Rosenkranz. Der Hintergrund ist grün. Die Rückseite des Bildnisses zeigt die Darstellung einer Felslandschaft mit einem hinter einem Felssporn hindurchfliegenden Drachen sowie rechts daneben ein unheilvolles Szenario mit Blitzen und Gewölk.
Die Pendantbildnisse der Eltern Dürers in Nürnberg und Florenz sind die frühesten erhaltenen Gemälde des Künstlers. Er fertigte sie in den ersten Monaten des Jahres 1490, kurz nach Abschluss seiner Lehre bei Michael Wolgemut und noch vor dem Aufbruch zur Gesellenreise an. Als Familiendokumente und Erinnerungsstücke sind sie Teil der Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und Geschichte. Auf Grund ihres beachtlich großen Formats sind die Elternbildnisse auch Ausweis und Demonstration von Dürers Fähigkeiten als Bildnismaler nach dem Abschluss seiner Lehre bei Wolgemut. Die erneute kunsttechnologische Untersuchung der beiden Bildnisse im Rahmen des Nürnberger Forschungsprojekts bestätigte die von Lotte Brand Philip 1978/1979 erstmals erkannte Zusammengehörigkeit der Tafel mit dem Bildnis des Vaters in Florenz. Nicht haltbar ist die von einigen Autoren vertretene Auffassung, das Nürnberger Bildnis sei aus Dürers Œuvre auszuschließen, weil es in seiner formelhaften Wirkung nicht an die Qualität des naturnäher geschilderten Vaterbildnisses heranreiche (Strieder 1993, S. 105 u. Nr. 72, S. 221, Schütz 2011, S. 79). Wie Dagmar Hirschfelder deutlich machte, erklärt sich das unterschiedliche Erscheinungsbild der Gemälde vielmehr aus Dürers Orientierung an älteren Vorbildern und Darstellungstraditionen (in Kat. Ausst. Der frühe Dürer, Nürnberg 2012, bes. S. 102-107).
Viele der Fragen bezüglich der Zusammengehörigkeit mit dem Vaterbildnis ließen sich durch die Infrarotreflektografie-Untersuchung des Florentiner Porträts 2012 klären: In Folge einer grundlegenden Konzeptänderung im Entstehungsprozess des Vaterbildnisses muss dieses, entgegen bisheriger Annahmen, vor dem Bildnis der Mutter entstanden sein. Das mütterliche Pendant, welches keine Unterzeichnung im Hintergrund erkennen lässt, führte er erst im Anschluss aus und richtete sich dabei nach dem vollendeten Vaterbildnis. Offenbar plante Dürer ursprünglich nur ein Bildnis des Vaters, was die Positionierung der Mutter auf der „falschen“ linken Seite erklären dürfte.
Die Darstellung auf der Bildnis-Rückseite gehört zwar in den Kontext der phantasievollen Ausgestaltung von spätmittelalterlichen Tafelgemälden, scheint aber durch das ungewöhnliche Motiv bereits die frühneuzeitliche künstlerische Gattung des Capriccio zu berühren.
Öl(?)-Malerei auf Tannenholz (zu Dürers Bindemitteln vgl. z.B.: Kat. München S.42/43) Tafelmaß (HxBxT): ca: 47,2 x 35,7 x 0,6 cm (seitl. beschnitten, vgl. unten: Kommentar) Bemalte Fläche: ca: 46 x 35,7 cm (seitl. beschnitten, vgl. unten: Kommentar) Beschriftungen: Rückseite: oberer Rand in Weiß: „Gem. 1160“; In brauner Farbe: „N 19“ Imhoffsche Inventarnummer der Jahre 1573, 1580. wohl 1573, spätestens 1588 angebracht (Brand Philipp 1981, S. 10)
Die Gemäldetafel wurde aus zwei annähernd gleich breiten, stumpf verleimten Brettern vertikal gefügt. Laut dem Bericht über die dendrochronologische Untersuchung von Peter Klein, (Ordinariat für Holzbiologie, Universität Hamburg) vom 24.03.2000 handelt es sich dabei um zwei Tannenholzbretter desselben Baumes. Der jüngste Kernholzjahrring stammt aus dem Jahr 1481. Laut Klein ist eine Entstehung des Gemäldes bei einer minimalen Lagerzeit des Holzes von 2 Jahren ab 1483 denkbar, für wahrscheinlicher hält er aber eine übliche Lagerzeit von 10 Jahren und vermutet deshalb eine Entstehung des Gemäldes ab 1491.
Inwieweit Dürer die Tafeln seiner frühesten Gemälde selbst gefertigt hat oder ob er sie vom Schreiner, oder – wie das für spätere Werke aus dem Briefwechsel zum Heller-Altar überliefert ist - vom „Zubereiter“ bereits fertig grundiert übernahm, bleibt offen. Die Bildträger der Elternbildnisse Dürers sind wie der Karlsruher Schmerzensmann flächig bis zum Falzrand mit feiner, locker gewebter Leinwand bedeckt. (ca. 14 Fäden/cm). Die Röntgenaufnahme des Mutterbildnisses macht deutlich, dass dabei ein gebrauchtes, bereits abgenutztes Gewebe zum Einsatz kam. (Vgl. Röntgenaufnahme: Riss bzw. Anstückung in der rechten oberen Ecke, zahlreiche Gewebeverletzungen vor allem im unteren Viertel der Darstellung über den Händen/vor der Brust).
Die Tafel wurde auf der Porträtseite weiß grundiert, am oberen und unteren Rand sind die Grundiergrate und Falzränder erhalten (recto ca. 5 mm, verso ca. 3 mm breit). An den Längsseiten wurden diese Spuren durch das nachträgliche Beschneiden der Tafel entfernt. Bartl nimmt an, dass die Tafel rechts etwa um Falzbreite und links um etwas mehr als zwei Zentimeter beschnitten wurde. Auf der Rückseite sind, wie auch beim Bildnis des Vaters in Florenz, zwar leichte Grundiergrate und Grundierungsreste am Falzrand zu erkennen, die Fläche erscheint dennoch kaum schichtbildend grundiert.
Die von Bartl als Imprimitur bezeichnete hellrote Schicht kann durch die reduzierten Farbschichten im grünen Hintergrund beobachtet werden, im Bereich der weißen Haube schimmert sie flächig durch die Farbschichten. Ob sich diese Schicht auch unter dem Gesicht der Dargestellten erstreckt ist fraglich. Unklar ist auch, ob die im Röntgenbild flächig zu erkennende streifige Struktur im Zusammenhang mit dieser dünnen hellroten Farblage zu deuten ist.
Die Untersuchung der Unterzeichnung im Rahmen des Forschungsprojekts „Der frühe Dürer“ erbrachte für das Bildnis der Mutter eine verblüffende Variationsbreite an vorbereitenden grafischen Liniensystemen, die nicht stilistisch erklärt werden können. Bereits mit bloßem Auge sind durch die gealterten und dadurch transparenter gewordenen Malschichten Unterzeichnungslinien zu erkennen, die sich mit Hilfe der Infrarotreflektografie verdeutlichen lassen. Die Unterzeichnung lässt verschiedene Redaktionen ablesen: So wurde der Bereich der Kleidung und Hände mit Konturlinien in einem flüssigen Zeichenmedium flüchtig angelegt, wobei der lockere, verhältnismäßig stark an- und abschwellende Strich auf einen Pinsel schließen lässt. Diese verhältnismäßig freie Zeichnung – Dürer wich in der Ausführung der Malerei immer wieder von ihr ab – wurde durch breit und zügig schraffierte Partien modelliert. Auffällig sind dabei Schraffuren im Bereich des linken Ärmels mit charakteristischem dünnem Auf- und breitem Abstrich. Im Gegensatz dazu ist die Vorbereitung des Gesichts weit vorsichtiger und weniger summarisch ausgeführt. So sind etwa im Bereich des Nasenflügels noch dünne, geradezu zaghafte Linien zu erkennen, die die Suche nach der Form dokumentieren. Die Modellierung erfolgte danach durch feine, präzis gesetzte und sich teilweise kreuzende Schraffuren. Für dieses frühe private Gemälde kann die Beteiligung von Mitarbeitern sicherlich ausgeschlossen werden, so dass die formalen Unterschiede nicht durch „Händescheidung“ erklärt werden können. Für die Gestaltungsaufgabe des Gesichts war wohl ein anderes Verfahren angemessen gewesen zu sein, als für die summarisch gestalteten übrigen Partien des Gemäldes.
Zumindest während der Arbeit am Gemälde, in der Übergangsphase von zeichnerischer Anlage zu malerischer Ausführung, scheinen die schraffierend durchgearbeiteten Modellierungen der Unterzeichnung eine Funktion im Malprozess gehabt zu haben. (Zur Funktion Dürerscher Unterzeichnung vgl. auch Hess/Mack, in: Ausst.Kat. Nürnberg 2012)
Der Farbauftrag erfolgte in weiten Teilen „Naß-in-Naß“, Modellierungen sind häufig strichelnd ausgeführt. Auch die schwarzen Konturlinien wurden in die offensichtlich noch feuchte Malfarbe eingetragen. Im Streiflicht fallen pastos gesetzten Strukturen vor allem an der Borte der Haube auf.